Notizen |
- Herkunft
Die Colombs
Marie-Elisabeth von Humboldt entstammte einer Kaufmanns- und Kunsthandwerkerfamilie teils hugenottischer Herkunft. Ihr Großvater, der Pariser Kaufmann Henri Colomb († 1719), wanderte nach der Aufhebung des Ediktes von Nantes (1685) zunächst nach Kopenhagen aus und wurde dort Posamentenmacher am königlichen Hof. Um 1711 zog er nach Neustadt an der Dosse ins Brandenburgisch-Preußische und bekleidete dort ein Amt im Direktorium der königlichen Spiegelmanufaktur. Bewirkt hatte diesen Umzug sein Schwiegervater, der Goldschmied Jean-Henri de Moor († 1722) aus Wageningen in der Provinz Gelderland, von 1696 bis 1711 selbst Direktor der Manufaktur. Jean-Henri de Moor war der Begründer der französischen Kolonie in Neustadt. Sein Sohn Jean Henri de Moor (Johann Heinrich de Moor) führte zusammen mit Henri Colomb als Teilhaber das Unternehmen weiter.[2]
Auch der Vater Marie-Elisabeths, Johann Heinrich Colomb (1695–1759), war von 1733 bis 1741 Direktor der Neustädter Spiegelmanufaktur. Danach ließ er sich als Hausbesitzer mit seiner Familie in Berlin nieder. Sein Grab befindet sich in den Gewölben der Parochialkirche in Berlin.
Marie-Elisabeth war eine Cousine[3] von Amalie von Colomb (1772–1850), der jüngsten Tochter des Auricher Kammerpräsidenten Peter von Colomb,[4] Schwester des preußischen Generals Peter von Colomb und ab 1795 zweite Ehefrau des späteren Feldmarschalls Gebhard Leberecht von Blücher.
Die Durhams
Mütterlicherseits entstammte Marie-Elisabeth der preußischen Beamtenfamilie schottischen Ursprungs Durham of Grange.[5] Sie übersiedelten 1650 von Schottland nach Preußen. Der Urgroßvater Alexanders und Wilhelms von Humboldt war Wilhelm Durham (1658–1735), königlich-preußischer Generalsfiskal, Geheimer Oberappellationsgerichts- und Kirchenrat sowie Ältester und Vorsteher der Parochialkirchengemeinde in Berlin. Er bewohnte mit seiner Familie in Berlin das Haus am Jüdenhof 9. Seine Tochter Justine Susanne (1716–1762) war die Mutter Marie-Elisabeths.
Ehen
Der junge Alexander, ein Barometer haltend, mit seiner verwitweten Mutter
Marie-Elisabeth Colomb heiratete 1760 Friedrich Ernst von Holwede (1723–1765), Baron, Erb- und Gerichtsherr auf Tegel, Ringenwalde und Crummecavel. Dieser Ehe entstammten zwei Kinder, eine Tochter[6], die schon im Kindesalter starb, und der Sohn Heinrich Friedrich Ludwig Ferdinand von Holwede[7] (1762–1817), den die Mutter später im angesehenen Berliner Kürassierregiment „Gens d’armes“ als Rittmeister unterbrachte. Friedrich Ernst von Holwede war Kanonikus des St.-Sebastian-Stifts in Magdeburg. Er starb im Jahre 1765 und hinterließ seiner Witwe das Erbpachtgut Tegel[8] bei Berlin sowie die Güter Ringenwalde mit dem Vorwerk Crummecavel in der Neumark (Kreis Soldin, heute Polen). Mit diesem Erbe und dem Erbe ihrer Eltern, das unter anderem die Bibliothek mit ca. 300 Buchtiteln und vor allem das Haus Jägerstraße 22 in Berlin umfasste, war Marie-Elisabeth eine hochinteressante Partie. Das Berliner Haus ist heute Sitz der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften[9].
Am 19. Oktober 1766 heiratete Marie-Elisabeth von Holwede zum zweiten Mal.[7] Auf dem Gut Lancke bei Berlin, das dem Bruder ihres ersten Ehemanns gehörte, gab sie dem königlichen Kammerherrn und Obristwachtmeister (Major) der Kavallerie a. D. Alexander Georg von Humboldt (1720–1779) das Jawort. Dieser entstammte einem pommerschen Beamten- und Offiziersgeschlecht, das verschiedenen brandenburgisch-preußischen Fürsten gedient hatte. Erst der Vater, Johann (Hans) Paul von Humboldt (1684–1740), preußischer Hauptmann und Herr auf Zeblin, „erbat und erhielt 1738 die erbliche Adelsverleihung.“ Alexander Georg war als königlich-preußischer Major und Adjutant des Generals Prinz Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel, an allen drei Schlesischen Kriegen beteiligt. 1761 nahm er nach einem Unfall seinen Abschied vom Militär und wurde 1764 von Friedrich II. zum Kammerherrn ernannt. Ab 1765 war er Kammerherr bei Elisabeth Christine von Braunschweig, der Ehefrau des Thronfolgers Friedrich Wilhelm. Im Jahre 1769 schied von Humboldt aus dem Staatsdienst aus und widmete sich mit Hingabe der Landwirtschaft auf dem Gut Tegel. Er starb am 6. Januar 1779 und wurde zunächst auf dem Gut Ringenwalde beigesetzt.[7]
Ihr überliefertes Wesen
Wird die Mutter der Humboldt-Brüder als zurückhaltende, spröde und sehr ernste Person geschildert, so sind sich die Humboldt-Biographen einig über das muntere, heitere und lebensbejahende Naturell des Vaters. So äußerte sich Frau von Briest, Mutter der Schriftstellerin Caroline de la Motte Fouqué, über Marie-Elisabeth von Humboldt in einem Brief an ihre Schwester im Jahr 1785:
„Alles ist bei den Humboldts wie es war. In dem Hause ändert sich nichts, weder die Menschen, noch die Art und Weise. Ihn (gemeint ist Alexander Georg von Humboldt) werde ich zwar immer sehr da vermissen. Seine leichte, muntere Unterhaltung machte einen charmanten Contrast zu der leisen Ruhe und Gemessenheit seiner Frau. Diese, ich versichere Dich, sieht heute so aus, wie sie gestern aussah und morgen aussehen wird. Der Kopfputz wie vor zehn Jahren und länger, immer glatt, fest, bescheiden! Dabei das blasse, feine Gesicht, auf dem nie eine Spur irgendeines Affects sichtbar wird, die sanfte Stimme, die kalte, gerade Begrüssung und die unerschütterliche Treue in allen ihren Verbindungen! Immer duldet sie den Schwager (gemeint ist wahrscheinlich Victor Ludwig Baron von Holwede (gest. 1793), der mit der Schwester Marie-Elisabeths, Wilhelmine Anne Susanne (1743–1784) verheiratet war), seine Tochter, die alte Tante um sich; immer liegt der alte, schnarchende Hund Belcastel auf dem Sofa; ihr Gleichmuth leidet weder durch Widerspruch, noch sonst durch häusliche Störungen. Man kann darauf schwören, wie man sie heute verlässt, so findet man nach Jahr und Tag die Familie im Innern und Aeussern wieder.“[10]
Marie-Elisabeth hat durch ihre Klugheit und durch ihren Charakter in der Gesellschaft Eindruck gemacht, so dass Caroline von Dacheroeden aus Erfurt ihrem Verlobten Wilhelm von Humboldt in Berlin schrieb:
„Deine Mutter steht hier in großem Ruf und Ansehen. Die Generalin Knorr hat in Frankfurt die Generalin von Lengefeld über meine Heirat gesprochen. Sie hat Mama gewaltig herausgestrichen, ihren Verstand, ihren Charakter, mit einem Wort alles. Der General sprach mir davon und sagte: ‚Von Ihrer künftigen Frau Schwiegermutter hör ich unendlich viel Gutes. Es soll eine würdige, vortreffliche, große Frau sein.‘“[11]
Ausbildung der Humboldt-Brüder
Eines der größten Verdienste von Marie-Elisabeth von Humboldt war die konsequente Planung und Durchführung der Ausbildung ihrer Söhne zu „geistiger und sittlicher Vollkommenheit“;[12] „statt mütterlicher Wärme, ließ sie ihnen die beste Erziehung angedeihen.“[13] Alexander schrieb darüber:
„Meine wissenschaftliche Erziehung war sehr sorgfältig. Mein Vater und vor allem meine Mutter (denn der erstere starb, als ich neun Jahre alt war) brachten jedes Opfer, um uns von den berühmtesten Männern […] zu Hause, ohne Schulbesuch, im Sommer auf dem Lande, im Winter in der Stadt, immer in großer Zurückgezogenheit, unterrichten zu lassen.“
Der Verwalter Gottlob Johann Christian Kunth (1757–1829), „der viele Jahre für den Unterricht verantwortlich war, behandelte [die Brüder] mit einer eigentümlichen Mischung aus Missfallen und Enttäuschung, während er gleichzeitig ein Gefühl der Abhängigkeit in ihnen nährte.“[14] „Für Alexander war es besonders schwer, weil er, obwohl zwei Jahre jünger, dasselbe lernen musste wie sein frühreifer Bruder.“[15] Die (noch unvollständige) Liste der Lehrer, die zum Unterricht der Söhne engagiert wurden, ist beeindruckend:
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